Anmerkungen und Reflexionen über ein Medium


Das faszinierende der Fotografie ist für mich ihre Ambivalenz zwischen der suggerierten Wirklichkeitsnähe und der Nüchternheit des Stück Papiers, auf dem die Illusion aufgebracht ist. So interessiert mich mehr das Experiment, das Zufällige, die Suche nach neuen Bildformen, um auf die Ebene zu stoßen, die die Grenze bildet zwischen dieser Illusion und der Materialität der Fotografie. Das Ergebnis ist nicht mehr als Bild der Realität lesbar, es löst sich auf, wird Imagination, Vorstellung von einem Bild.
1993
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Eingriffe, Handhabungen bestimmen meine Arbeit. Oder wie man auch sagt Manipulationen. Manipulationen eben nicht im Sinne einer Verschönerung, die letztendlich nur das Klischee von "Schön" reproduziert, auch nicht im Sinne einer Zensur, die bestimmt, was wir zu sehen haben; wobei jedes Mal der Sinn der Manipulation darin besteht, dass sie unsichtbar bleiben soll. 
Nein, Manipulation wortwörtlich und ganz offensichtlich, welche die Fragilität unseres zentralperspektivisch geordneten Weltbildes zu sehen freigibt. Also eher eine Verweigerung denn Bestätigung unserer Erwartungshaltung an die Fotografie. Verhindert wird damit die Frage, was die Fotografie nun zeigen solle, welche Gegenstände, welche Situationen, wessen Geschichte oder an welche Mythen sie anknüpfe. 
Denn die Fotografie an sich ist sinnlos. Nichts als ein Haufen mehr oder weniger durch Licht geschwärzten Silbers. Die Bedeutungen setzen wir auf: Durch eingeübte Haltungen, durch Gebrauch. Also liegt nichts näher, als hier anzuknüpfen. Fotografien herstellen, nicht aus dem Stillstand der Zentralperspektive, sondern aus einer Tätigkeit, aus einem Umgang mit ihr: Sie manipulieren. Um damit andere Fragen zu stellen, worauf andere Antworten möglich werden könnten, die bisher nicht sichtbar waren. 
1996

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FOTOGRAFIE! 
" Das Bild eines Gegenstandes ist nicht nur nicht der Sinn dieses Gegenstandes; es hilft seinem Verständnis nicht nur nicht weiter, eher entzieht es ihn diesem, hält ihn in der Starre einer Ähnlichkeit fest, welche über nichts verfügt, dem sie ähneln kann " 
Maurice Blanchot

Eine Spur von Skepsis, keine Überzeugung des Richtigen, durchzieht meine Haltung gegenüber dem Medium, welches sicherlich zu den populärsten gehört und ganz wesentlich mit dazu beigetragen hat unser Sehen und das, was wir sehen, zu verändern. Folgende Prämissen bilden für meine Arbeit ein gedankliches Instrumentarium, dessen ich mich bediene, das aber auch als "Fokussierhilfe" für die Betrachtung der Bilder dienlich sein kann: Unser Blick auf Fotografie ist kulturell eingeübt, auf das Realitätsmodell "Zentralperspektive" fixiert, um Wiedererkennbarkeit - sei es als Mimesis oder Symbol - bemüht. Die Betrachtung der fotografischen Bilder muß unter der Dominanz dieser kulturellen Leistung stehen. Obwohl diese Einstellung nur einen schmalen Grad aus dem gesamten "Tätigkeitsfeld" Fotografie erfasst, halten wir sie oft für die einzig Mögliche und setzen die Fotografie immer zu einer "so dagewesenen" Realität. 
Jede Bedienungsanleitung eines Fotoapparates zeigt es, welche Manipulationen wir vornehmen müssen, um genau diese Erwartungshaltung zu bestätigen. Folgt man dieser Anweisung nicht, was angesichts der Automatisierung fast ausgeschlossen ist, so erhalten wir in diesem Sinne "schlechte" Bilder. In der Bedienungsanleitung ist die kulturelle Konnotation zu lesen, die eingehalten werden muß und mit der wir wiederum die Ergebnisse beurteilen. 
Da unser Blick eine kulturell hoch entwickelte Sichtweise darstellt, ist sie - umgekehrt - nicht mehr verallgemeinerbar, kann nicht für alle Kulturen und Zeiten gelten. Folgendes Zitat bestätigt die Existenz einer solchen Grenze: " Der Antropologe Melville Herskovits zeigt einer Buschmann-Frau ein Foto ihres Sohnes. Sie ist außerstande, irgendetwas als Abbild wiederzuerkennen, bis ihr die Details des Fotos erläutert werden." ( aus Philippe Dubois, Der fotografische Akt, S.46 ) Dieser spezialisierte Blick ist gerade deswegen störanfällig und brüchig geworden. 
Bei Walter Benjamin, der zum ersten Mal die Veränderung durch Fotografie versuchte aufzuzeigen, findet sich folgendes: "Sie ( die technische Reproduktion ) kann, beispielsweise, in der Photographie Ansichten des Originals hervorheben, die nur der verstellbaren und ihren Blickpunkt willkürlich wählenden Linse, nicht aber dem menschlichen Auge zugänglich sind, oder mit Hilfe gewisser Verfahren wie der Vergrößerung oder der Zeitlupe Bilder festhalten, die sich der natürlichen Optik schlechtweg entziehen." ( Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, S.12 ) Das Ergebnis des fotografischen Prozesses ist etwas völlig anderes als das, was wir sehen und wie wir sehen. 
Parallel dem wissenschaftlichen Experiment, und dem ihm innewohnenden Konflikt, daß der Beobachter das Beobachtete durch die Tatsache des Beobachtens beeinflußt, zu einem "verfälschten" - nicht objektiven - Ergebnis kommt, könnte man folgenden Sachverhalt beschreiben: Die Fotografie, als das Medium der exaktesten Wiedergabe unserer Realität gefeiert, hat durch ihr Bestehen und den Zusammenhang ihrer Benutzung Veränderungen bewirkt, die auf sie zurückfallen, also Realität und das Verständnis von Realität verändert.
Wir haben unsere Art und Weise des Sehens und Verhaltens dem Apparat angepaßt. Wir sehen „fotografisch“ in vorweggenommenen Bildern und verhalten uns „fotogen“ im Wissen um die Bilder. 
„Für mich besteht die Fotografie im blitzschnellen Erkennen des strengen und rückhaltlosen Aufbaus der optisch erfaßbaren Formenwelt (...)." Henri Cartier-Bresson, von dem dieses Zitat stammt, hat das „fotografische Sehen“ als den „entscheidenden Augenblick“ qualifiziert. Indem das fertige Bild als „geistiges" vorweggenommen entsteht, reduziert er Wirklichkeit auf den Ausschnitt, der den optischen, d.h. apparativen Gesetzen folgt. Alles andere fällt als „Abfall" weg. Von ihm noch mit der Absicht getragen, originäre Bilder herzustellen, klingt dennoch die Redundanz schon durch. Fotografien verweisen nur noch auf Fotografien. Ein Kurzschluß ? 
Den Fotografien ist der Unterschied nicht anzusehen, ob sie als Dokument oder Inszenierung hergestellt wurden ( Siehe den Fall „Doisneau“ ), es ist unerheblich und fast bedeutungslos geworden. Wenn die Masse der Fotografien heute inszenierte Wirklichkeit zeigen, die als Dokumentationen etwas glaubhaft machen möchten, oder umgekehrt tatsächliche Dokumentationen wie Inszenierungen erscheinen, so spricht daraus, wenn auch uneingestanden, aber berechtigt: Skepsis. 
Der "entscheidende Augenblick" - dies zu seiner Rehabilitierung - gelesen als der Moment des Auslösens, der Moment, in dem sich eine wie auch immer geartete Wirklichkeit als „Lichtabdruck" in das Medium einschreibt , bleibt von allem unbelassen, auch weiterhin eine nur dieses Medium Fotografie definierende Eigenschaft. Ob es das einzige und allein bestimmende Kriterium sein kann, bezweifele ich. Zu sehr ist dieser Moment eingebunden in die kulturelle Konnotation des Davor und Danach, wird von der Gebrausweise der Fotografie mitbestimmt. Der Moment des Auslösens geschieht nie als Selbstzweck, sondern ist immer mit einer Absicht verbunden. 
Fotografie wird auch weiterhin , vielleicht gerade wegen ihrer Zweifel nährenden Unglaubwürdigkeit, ein „Realitätsmedium" sein. Doch müßte es eine Verschiebung geben in der Form, daß ihre Bedeutung weniger im Verweischarakter des Bildes selbst liegt ( als Index, als Verweis auf das „so-ist-es-gewesen“ Zitat: Roland Barthes ), als vielmehr in ihrem Gebrauchscharakter. Das „Wie" mit dem ich das Bild herstelle, die Absicht, die Intention, die ich verfolge, wird bestimmt von meinem Bild von Wirklichkeit und bestimmt die Wirklichkeit des Bildes. Nicht der Verweis auf ein als „Absolut" geltendes Wirklichkeitsmodell außerhalb des Bildes, sondern mit dem immer wieder neu zu schaffenden Verhältnis von Autor, Werk und Rezipient könnte Wirklichkeit begründet werden. Wirklichkeit wird durch das Bild geschaffen. Es ist eine Chance, dem Gefühl des Unbehagens Ausdruck zu verleihen und eine Wendung herbeiführen zu können, ohne das Medium zu denunzieren. 
Unabhängig von dem eben gesagten, sehe ich in der Geschichte des Massenmediums Fotografie zwei Tendenzen. Die eine, die Distanz von Illusion und Realität immer geringer werden zu lassen, also alles das, was die Entfaltung von Illusion beeinträchtigt, auszuschalten, die Illusion immer perfekter zu gestalten, um dann, Tendenz zwei, umso forcierter künstliche Welten zu schaffen, in die der Betrachter - ohne Hindernis - bedingungslos einsteigen kann. 
Ich denke, daß eine von Skepsis getragene Haltung gegenüber dem Medium durchaus angemessen ist, einen Ausgangspunkt bildet, der die Fotografie überhaupt noch gerecht werden kann. Hier sehe ich den Ansatz meiner Arbeit: Die Brüche aufzuzeigen, die Skepsis gegenüber dem Medium zu thematisieren und den Betrachter auf seinen Standort zu verweisen, der nicht im Bild, der Illusion erlegen, sondern vor ihm stehend ist, nicht dem „Was" folgend, vielmehr das „Wie" der Fotografie erfassend. 
1999
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Die Fotografien zielen nicht auf das, was gemeinhin als das „Fotografische“ gilt: klassische Dokumentarfotografie, Reportage oder Inszenierung. Hier geht es um Anderes. Grenzbereiche werden markiert da, wo die Fläche der Fotografie umschlägt ins Dreidimensionale, durch Verbindungen unterschiedlicher Materialien eine körperliche Präsenz sich entfaltet, die dem Medium oft abgesprochen, ja als störend empfunden wird. Die so entstandenen Objekte werden wiederum zu Installationen zusammengestellt und treten ein in ein Spiel mit der konkreten räumlichen Situation. Eine radikale Fragmentierung der einzelnen Fotografien lenkt den Blick auf die Künstlichkeit des Mediums, von dem wir so überzeugt sind, es zeige die Welt wie sie ist. Es sind sogenannte „experimentelle Fotografien“ (Vilém Flusser), solche, die von ungewöhnlichen Standpunkten ausgehen, um Neues und neue Gegenstände zu produzieren. Vielfältige Arbeitsformen ergeben eine Vielfalt an Ergebnissen, ohne je den Blick auf das zu verlieren, was als Phänomen des fotografischen Bildes bezeichnet werden könnte.
 1999
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/schwarz/
Silber erscheint grau und wird in der Fotografie schwarz, vom Licht geschwätztes Silber. Schwarz ist die Fotografie, weiß das Papier, die leere unberührte Fläche. Weiß ist die Abwesenheit von Licht. Fotografie ist gegen den Sinn. Je schwärzer, je dichter die Materie, umso mehr Licht: schwarz wird das Symbol für Licht und ist nicht länger das der Dunkelheit. Raus aus der Schattenhöhle Platons in das grelle Dunkle des Lichtes!
2000
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Die Fotografie wird erst da ganz und gar Fotografie, wo sie an ihre Grenze stößt. Wenn es nicht mehr um die Frage geht, was sie abbildet - Dokumentation oder Fiktion - sondern, wenn sie in unsere Wahrnehmung eingreift und es darum geht: " Wozu ist diese Fotografie fähig“? 
2002
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„Es ist nicht die Fotografie, die man sieht“
In seinen „Bemerkungen über die Fotografie“ – so der Untertitel des Buches „Die helle Kammer“ – schreibt Roland Barthes über die Schwierigkeiten, der Fotografie auf die Spur zu kommen: denn „was auch immer ein Foto dem Auge zeigt und wie immer es gestaltet sein mag, es ist doch allemal unsichtbar: es ist nicht das Foto, das man sieht.“ (S.14)
Barthes spielt auf die Transparenz der Fotografie an. Denn wir sehen nicht das Foto, sondern den Referenten, den Gegenstand des Bildes. Wir gehen in das Bild hinein und erleben seine Geschichte. Alles, was der Illusionsentfaltung entgegensteht, wird negiert. So unser alltäglicher Umgang mit der Fotografie.
Aber gerade die Schwierigkeiten, die Verwirrungen, die dieses Medium auslöst, zeigen, dass es so einfach nicht sein kann. Natürlich besitzt die Fotografie auch eine Materialität - auch wenn sie geleugnet wird. Sie ist transparent und bleibt doch undurchsichtig! Es ist das Paradox mit dem sie zu kämpfen hat.
Eine Fotografie ist mehr. Doch solange wir mit unserem eingeübten, kulturell verfestigten Blick auf sie schauen, sehen wir sie nicht. Verwehrt uns eine Fotografie dieses eingeübte Hinsehen, scheitern wir zwangsläufig. Geht es aber um dieses „Mehr“, das Ausfindigmachen von Grenzen, das Austesten von dem, wozu eine Fotografie noch fähig ist, sind wir gezwungen, unsere Sichtweise auf das Medium zu ändern.
„Nicht das, was wir sehen, wohl aber wie wir sehen, bestimmt den Wert des Gesehenen“, hat auch vierhundert Jahre nach Blaise Pascal noch seine Gültigkeit. 
Rücken wir also das „Wie“ in den Mittelpunkt unserer Recherchen, verändern wir unseren Blick auf das Medium, um vielleicht zu der Feststellung zu kommen – wider Barthes - , dass es doch die Fotografie ist, die man sieht!
2003
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Jede Ausstellung beschäftigt sich für Künstler gleichermaßen wie für Publikum mit der Frage "Warum Bilder?" und "Warum gerade diese Bilder?".
Der einfache Akt des Fotografierens erscheint mir nicht mehr genug, um ein Bild der Fotografie zu erhalten.
Es ist schwierig genug zu sagen, was überhaupt eine Fotografie ist: "Was auch immer ein Foto dem Auge zeigt und wie immer es gestaltet sein mag, es ist doch allemal unsichtbar: es ist nicht das Foto, das man sieht." (Roland Barthes)
Die Fotografie selbst ist es, die dieses Paradox erzeugt.
Es ist dieser Eigensinn der Fotografie, der mich dazu treibt, Verwirrung in die Ordnung des Sichtbaren zu bringen.
Eine Fotografie ist mehr.
2003
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Die Zeit, so sagt man, wird in der Fotografie angehalten.
Das Auslösen des Verschlusses setzt ein Bild frei aus einem Kontinuum , welches wir Zeit nennen.
Dieses herausgehobene Bild steht nun für den Moment, diesen Tag, diese Epoche; und wir schätzen das Foto gerade deswegen als Dokument seiner Zeit.
Wir sind nun in der Lage uns selbst zuzuschauen beim Leben, beim Arbeiten, im privaten, wie öffentlichen.
Aber stimmt dies tatsächlich? Können wir einen im Foto festgehaltenen Moment wieder erleben? Sehen wir zum Beispiel auf einem aus dem neunzehnten Jahrhundert stammenden Foto den gleichen Menschen, den seine Zeitgenossen gesehen haben?
Ist es nicht vielmehr so wie bei einem wissenschaftlichen Experiment und dem ihm innewohnenden Konflikt, dass der Beobachter das Beobachtete durch die Tatsache des Beobachtens  beeinflusst und zu einem verfälschten Ergebnis kommt?
Wir besitzen nicht mehr den selben "unschuldigen" Blick, den ein Mensch damals hatte, als er zum ersten mal eine Fotografie betrachtete.
Die Fotografie selbst hat unser Sehen verändert und diese Veränderung fällt auf die Fotografie und das Sehen von Fotografien zurück.
Sie ist genauso Bestandteil der Zeit wie wir und kann sich nicht gegen sie stellen.
Sie hat es also nicht geschafft - wie man sagt - die Zeit anzuhalten.  

2003
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1.) (Warum Schwarz?)
Schwarz ist eine Herausforderung an unsere Wahrnehmung, eine Grenzerfahrung zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren. Das Nichtsichtbare, was wir als Schwarz bezeichnen, Objekte, die keine Lichtstrahlen mehr reflektieren, wird dennoch durch die Farbbenennung in den Bereich des Sichtbaren gerückt. Ja, wir sehen Schwarz! Im Schwarz liegt dieses Paradox, welches das Nichtsichtbare im Sichtbaren einschließt und uns damit in Bereiche des Unbekannten und nicht Abgesicherten führt …

2.) (Was haben Schwarz und Licht miteinander zu tuen?)
Auf den ersten Blick könnte man meinen, das Schwarz und Licht nichts miteinander gemein haben. Hier die Materialität des schwarzen Pigment, dort die Körperlosigkeit der Lichtstrahlen. Doch gibt es auch einen anderen Blick auf eine unzertrennliche Verbindung zwischen den Beiden. Schwarz ist die Verneinung von Licht, ihre komplementäre Ergänzung, so wie bei einem 24-Stundentag der Tag und die Nacht fraglos zueinander gehören.  Das Licht macht sichtbar, es ist der Grund für alles Sichtbare. Schwarz macht dagegen unsichtbar und entzieht sich deswegen unserer visuellen Wahrnehmung. Aber stimmt es, dass nur Licht sichtbar macht? Ist es nicht vielmehr so, dass wir Licht erst dadurch sehen können, weil es Finsternis gibt. Wenn wir Licht in seiner „Ganzheit“ begreifen wollen, so wird es erst durch Schwarz zu dem, was wir ihm zuschreiben: Erkenntnis, Aufklärung …
Aber vielleicht ist Schwarz heute das notwendige Korrektiv einer zunehmend überbelichteten Welt?

3.) (Warum keine anderen Farben?)
In der Fotografie ist Schwarz die grundlegende Farbe mit der das Bild konstruiert wird: Das mit Licht in Berührung gekommene und durch Entwickler geschwärzte Silberkorn. So ist für mich als Künstler, der das fotografischen Material als Gegenstand seiner Arbeit begreift, Schwarz die Farbe, die historisch bedingt untrennbar mit der Fotografie verbunden ist, Fotografie pur. Auch wenn dieser Bezug in der digitalen Fotografie nicht mehr gegeben ist, so ist Schwarz doch auch die Farbe, die zum autonomen Bild und seiner Abstraktion beiträgt, und so für mich das wichtigste Mittel bleibt, die Fotografie von ihrer scheinbaren Nähe zur einer sogenannten Realität zu lösen, und das allzu gewohnte fotografische Bild zu unterwandern.
2016
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Die Arbeit les monuments détruits (Die zerstörten Monumente) greift unweigerlich – auch wenn nicht ausdrücklich erwähnt – auf einen zeitlich vorhergehenden Zustand des Unversehrten, Unberührten, Ganzen (ja vielleicht einer paradiesischen Vergangenheit) zurück, wie immer dieser auch ausgesehen haben mag. Die zeitliche Verschiebung (timedisplacement) wird hier auf eine paradoxale Weise erzeugt. Der Betrachter, in Gegenwart dieser „zerstörten Monumente“, wird zum Akteur, der in seiner Vorstellung nach dem „Nichtanwesenden“ dieser anderen Zeit sucht.
L'œuvre les monuments détruits réfère inévitablement - même si ce n'est pas explicitement mentionné - sur un état temporellement antérieur de l'ensemble intact, vierge, entier (peut-être même un passé paradisiaque), quelque soit cet état. Le déplacement du temps est ici créé de manière paradoxale. L'observateur, en présence de ces "monuments détruits", devient un acteur qui, dans son imagination, recherche la "non-présence" de cet autre temps.
2019
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Warum Levinas ?

Rien n’est plus étrange ni plus étranger que l’autre homme est c’est dans la clarté de l’utopie que se montre l’homme. Hors de tout enracinement et de tout domiciliation apatride comme authenticité.

(Nichts ist fremder oder fremdartiger als der andere Mensch, der sich erst in der Klarheit der Utopie als Mensch zeigt. Außerhalb jeglicher Verwurzelung und jeder Heimat, heimatlos in seiner Wahrhaftigkeit.)
                Emmanuel Levinas, Philosoph, mit osteuropäischen Wurzeln, jüdischen Glaubens


Das Leben von Emmanuel Levinas (1906 - 1995) ist eng mit der leidvollen Geschichte Europas des zwanzigsten Jahrhunderts verbunden, seine Philosophie ohne sie nicht zu verstehen und doch – oder gerade deswegen – von einer unabweisbaren Aktualität: „Eine Philosophie für unsere Zeit!“. (1)
In Kaunas geboren, damals noch zum zaristischen Russland gehörend, wuchs Levinas in einem traditionell jüdischen Haushalt auf. In der Familie wird jiddisch, litauisch und russisch gesprochen. Sein Vater ist Buchhändler, er wächst mit der klassischen russischen Literatur auf. 1923 beginnt er sein Studium der Philosophie an der Universität von Straßburg. Dort trifft er auch Maurice Blanchot, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbindet. In den Jahren 1928 und 1929 studiert er in Freiburg bei Edmund Husserl und Martin Heidegger. Er beendet seine Studien in Straßburg 1930 mit einer Doktorarbeit über die Phänomenologie Husserls, die er zudem ins französische übersetzt und seine Position in Frankreich bekannt macht. 1931 erhält er die französische Staatsbürgerschaft, die ihn später vor einer Deportation in die Vernichtungslager bewahren wird. 1940, in deutscher Kriegsgefangenschaft, wird er in ein Lager für Kriegsgefangene in der Nähe von Hannover deportiert, 1945 befreit. Als er von der Vernichtung seiner ganzen, in Litauen gebliebenen, Familie durch die nationalsozialistische Ausrottungspolitik erfährt, schwört er, nie wieder deutschen Boden zu betreten. 1946 wird er Direktor der „École normale israélite oriental“, eine Ausbildungsstätte für jüdische Lehrer.
Nach Auschwitz wird die Frage nach der „Vernunft“ neu aufgeworfen (Adorno, Horkheimer, Arendt) und anders gestellt, Levinas qualifiziert sie als „verwundete Vernunft“. So arbeitet er an einer Ethik, die das Leiden aus einer zwischenmenschlichen Perspektive betrachtet, einer Nicht-Gleichgültigkeit gegenüber dem Anderen. Die Idee von Gott und dem Sinn menschlichen Leidens heißt für ihn, weder das „Heil“ in ihm zu suchen, noch ihn zu verneinen. Ihm geht es nicht darum, Beweise für eine Existenz Gottes vorzulegen, es ist nicht Gott, der im Nächsten gesucht wird. Es ist der Andere, der immer das überschreitet (transzendiert), was ich sehe und weiß, mich dadurch in Frage stellt, scheitern lässt. Und diese, meine Infragestellung durch die Fremdheit des Anderen, die Blöße und Verletzlichkeit seines Gesichtes, ist die ethische Situation, in der „mir Gott einfällt“, „in den Sinn kommt“, wie Levinas es beschreibt. (2)
Aber, was ist es genau, was seine Position uns heute so interessant erscheinen lässt, egal welcher Religion, welcher politischen Ansicht wir sind? Allgemein – und damit natürlich vereinfachend – gesagt, steht die Begegnung von Mensch zu Mensch, im Mittelpunkt seiner Philosophie, ein dialogisches Verhältnis, welches immer eine persönliche Beziehung stiftet (einen mich „Du“ nennenden Anderen). Es ist also nicht eine abstrahierende Position, die dem menschlichem Sein seinen Ort zuweist, sondern immer ein konkretes Erleben des Anderen, dem ich begegne, so wie er mir entgegentritt. In dieser Begegnung mit dem „Anderen“ (3), der, weil er anders ist, mir deswegen fremd erscheint und mir als Fremder, den ich nicht verstehen kann, gegenübersteht, entwickelt Levinas seine zutiefst humanitäre Position. Eine notwendig utopische Position, die darauf hinausläuft, den nicht zu verstehenden Anderen, den mir Unbekannten, zu akzeptieren.
Die von mir geplante Installation im Rahmen von FORUM OSTWEST versucht, sich der Position Levinas zu nähern und muss an der Unmöglichkeit, ein „Bild“ davon zu geben, scheitern. Natürlich! Scheitern, wie wir auch daran scheitern „sich ein Bild zu machen“, von unserem Gegenüber, der immer mehr ist, als wir erfassen können. Ein „Anderer“, der in diesem Sinne undenkbar und unvorstellbar ist und sich nicht auf ein paar äußere Merkmale reduzieren läßt, wie Levinas immer wieder betont. Liegt hier nicht der tiefergehende Sinn eines „Bilderverbotes“ in der jüdischen Religion?
Es ist dieses Paradox, auf das Levinas immer wieder zurück kommt, nicht um es in einer wie auch immer gearteten Synthese aufzulösen, sondern es in seiner Widersprüchlichkeit aufrecht zu halten. Eine immer wieder neue, offene Situation, die von einer Unterschiedlichkeit, einer Diversität, einer Diskontinuität des Menschen ausgeht, und uns erst dadurch ermöglicht, neue Aspekte der Welt zu erfassen.
Es gibt keine expliziten Äusserungen Levinas zur Kunst. Er steht der bildenden Kunst eher skeptisch gegenüber, ein Verhältnis, welches sich erst spät – wohl durch Einfluss seines Freundes Maurice Blanchot – ändern wird. Wohl ziehen sich durch seine Werke immer wieder Formulierungen, die nicht direkt auf den Begriff von Kunst zielen, die aber den Begriff der von Walter Benjamin formulierten „Aura“ („Ein sonderbares Gespinst von Zeit und Raum: einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag.“) in den Sinn kommen lassen. Benjamin beschreibt hier eine besondere Weise der Wahrnehmung, die den Betrachter – zeitlich wie räumlich – in eine nur für ihn zu machende Erfahrung gegenüber dem Bild setzt. Entspricht das „dialogische Prinzip“ bei Levinas nicht dem Raum-Zeit Aspekt der Aura (4), in das der Betrachter eines Kunstwerkes hineingesetzt wird? Die Konfrontation mit dem Anderen, dem Fremden, das von mir nicht zu Erfassende – so nah vor mir und doch weit weg –, spiegelt sich diese Situation nicht in der Begegnung mit einem Kunstwerk wider?
„Ein Kunstwerk sollte uns immer lehren, dass wir das, was wir sehen, nicht gesehen haben.“(5) Oder – anders ausgedrückt – ein Kunstwerk verweist immer auf ein Nicht-Sichtbares im Sichtbaren. Hier liegt für mich, in diesem „über-sich-hinausweisen“ (transzendieren) des Werkes, der Punkt, wo Kunst und Philosophie, bzw. Religion sich berühren: „Eine Beziehung ohne Beziehung“.
Kunst – und so auch meine Arbeit – muss es wagen, Visionen zu entwerfen, muss und darf verwirren: „Bilder“, die beunruhigen angesichts des Paradox einer Fotografie ohne „Bild“. Fotografische Bilder, die sich den Gewohnheiten und dem Komfort einer angeblich objektiven Darstellung der Realität widersetzen, befremden. Doch den Betrachter verstören hieße, seinen kritischen Sinn zu aktivieren, jede Idee einer objektiven Wahrnehmung – gleich einer einzig möglichen Realität – auf den Kopf zu stellen. Der gewonnene Abstand könnte den Betrachter befreien und es ihm erlauben, seine eigene individuelle und unteilbare Realität in völliger Unabhängigkeit zu erreichen, seiner Verantwortung gerecht zu werden.
Hier sehe ich das Potential meiner geplanten Installation, eine offene Situation herstellend, die keine vorgefertigten Antworten liefert, wohl aber in dem „philosophischen Vokabular“ Levinas eingebunden ist. Als Übersetzung seiner Position in eine Visualität, ohne sich darin zu erschöpfen. Als Infragestellung und Neusetzung ständig eine Aktualisierung durch den Betrachter erfahrend.
Im Zentrum meiner Installation werden von Levinas geprägte Begriffe stehen: Gesicht/Verletzbarkeit/Genuss/Unendlichkeit.

Seine ethische Philosophie wirkt im weitesten Sinne als Befreiung von Vorurteilen und Dogmatismus. Das Außergewöhnliche seiner Position liegt sicherlich darin – trotz erlittener Erfahrungen des Nazi-Terrors – , dass er den „Anderen“ und in seiner extremsten Form sogar seinen „Feind“ mitnimmt in sein Denken, die Würde und Achtung des Fremden im Zentrum steht. Die Aktualität seiner Gedanken klingt in den drängenden Fragen unserer Zeit wieder: Ungleichheit, Armut, Aufnahme von Flüchtlingen …


1 Corine Pelluchon: Pour comprendre Levinas – Un philosophie pour notre temps, Paris 2020
2  Religion ist für ihn eine „allerletzte Struktur“, weder eine Gemeinschaft, die sich über eine gemeinsame Idee bildet, noch eine „Totalität“ darstellt, eine Beziehung zwischen einem sterblichen Wesen und einem transzendenten Sein, eine Beziehung ohne Beziehung. (Nous réservons à la relation entre l'être ici-bas et l'être transcendant qui n'aboutit à aucune communauté de concept ni à aucune totalité – relation sans relation – le terme de religion. in „Totalité et Infini“)
3  im französischem „l’autre“, „l’autri“, bei Levinas im weitesten Sinne auch als Fremder, bis hin in seiner extremsten Form als Feind verstanden werden kann.
4 Levinas Auffassung von Kunst und Dichtung wird sehr ausführlich im Werk von Thomas Wiemer, „Die Passion des Sagens – Zur Deutung der Sprache bei Emmanuel Levinas“, Freiburg/München 1988, untersucht.
5 Un œuvre d’art devrait toujours nous apprendre que nous n’avions pas vu ce que nous voyons, Paul Valéry, Introduction à la méthode de Léonard de Vinci, 1894
2021
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